Frohes Fest

März 2011

"Frohes Fest" von Anthony Neilson

Frohes Fest Polizisten

Zum Stück:

Am Tag vor dem Osterfest müssen die Polizisten Gobble und Blunt dem Ehepaar Connor die traurige Nachricht vom Verkehrstod ihrer Tochter überbringen. Officer Gobble hat beim Münzenwerfen verloren und soll die Unglücksbotin sein. Aber dies widerstrebt ihrer Auffassung von Glück und Menschsein. Ihr Zaudern und ihre absurden Philosophien bringen Kollege Blunt zur Raserei.


Während die Polizisten nun vor der Connerschen Haustür über das Leid und Weh des Polizeiberufs streiten, erscheint die Dame des Hauses. Sie schluchzt beim Anblick der Ordnungshüter: „Ich weiß es! Mein Baby ist tot!“ Blunt und Gobbel sind überrascht und erleichtert, denn das Ehepaar ist offensichtlich über das tragische Unglück informiert.

Was die Polizisten jedoch nicht wissen: Diese Schlussfolgerung ist falsch und damit der Anfang einer Vielzahl von Missverständnissen. Beim Versuch, den herzkranken Vater vor einem Infarkt zu bewahren, stehen sie vor der Frage: "Gibt es überhaupt eine geeignete Weise, einem Angehörigen den Tod eines Verwandten mitzuteilen?" Die Antwort lässt auf sich warten und die folgende Stunde wird zu einem Alptraum für die beiden Polizisten, in der ein Kinderschänder gejagt wird und der Pfarrer in Missbrauchs-Verdacht gerät ...

Frohes Fest Proben

“Wie kann man nur zu einem solchen Thema wie Kindstod ein Theaterstück  machen?” wurden wir im  Vorfeld gefragt. Nun - es ist immer eine Frage der Herangehensweise und des persönlichen Empfindens. Und es gibt ein zweites Thema, das noch viel mehr Fragen aufwirft ...


Wir inszenieren Stücke, die das Leben zeigen wie es ist und sein kann: einzigartig, widersprüchlich, (un)moralisch, ...Unsere Theaterstücke, bewusst in Kirchen gespielt, stellen Menschen und Handeln in den Mittelpunkt. Das ist oft dramatisch, absurd oder komisch und allein schon Grund genug, es auf die Bühne zu bringen. Aber wir gehen noch weiter, denn uns faszinieren die emotionalen und psychischen Grenzen, an die ein Mensch an die Menschen geraten können, was sie motiviert und antreibt.
Also ja, auch zu einem solchen Thema ist Theater möglich!

Wir danken ganz herzlich den beiden Gemeinden - vor allem Pfr. Klock (KHG) und Pfr. Lich /
Frau Hang (Oberstadtkirchen) - für die Möglichkeit und die Beherztheit, diese in mehrfacher
Hinsicht brisante Komödie bei ihnen spielen zu können. Wie jeder inzwischen weiß, hat uns
die Realität eingeholt - bzw. richtiger: ist sie ans Licht gekommen.
Anthony Neilson schrieb sein Stück “The Lying Kind” (Die, die lügen...) vor knapp 10 Jahren.


Mitwirkende
BLUNT ..................... Marcus Warlo
GOBBLE .............. Juliana Teichert
GARSON .............. Jessica Sprenger
BALTHASAR ....... Bernd Rausenberger
GRONYA ............... Ursula Ackerschewsky
CAROL .................... Caro Ritter
REVEREND SHANDY ...... Oliver Korz
Polizisten ................ Sibylle Brandl Manuel Hähnel Manuiel Quinones

Bühnenbau ............. Marcus - Bernd - Ursula
Tonschnitt ............Johannes Massoth
Pressearbeit ........ Stefanie Maasland
Beleuchtung ...proximal sound & light

Frohes Fest Proben2

Zum Autor
:

Anthony Neilson gilt als der Superstar der Boulevard-Komödie Englands. Er begann in den späten achtziger Jahren als Schauspieler und Regisseur zu arbeiten. Seit 1990 schreibt er Hörspiele, Theaterstücke und für Film und Fernsehen.

In seiner Regie wurde Frohes Fest im November 2002 im Royal Court Theatre in London unter dem Titel "The Lying Kind" uraufgeführt. Der Titel ist ein Wortspiel und kann sinngemäß mit "Die, die lügen" - "Die Netten, die lügen" - "Die, die nett lügen" - "Die Gruppe/Art der Lügenden" übersetzt werden. Im Original spielt alles kurz vor Weihnachten.

Ergänzende Gedanken

F.A.Z. - Sonntagszeitung - 10. Oktober 2010 / Von Marco Seliger

 Die Nachricht

Wenn ein Angehöriger der Bundeswehr in Afghanistan gefallen ist, machen sich in seiner Heimat Soldaten, Militärpfarrer und Ärzte auf den Weg zu den Hinterbliebenen. Sie überbringen die Botschaft, die schlimmer nicht sein kann

[...] Kolesch arbeitete viele Jahre als Notfallseelsorger, er weiß, was sie gleich erwartet. „Egal, wie man es anstellt, wenn ein Offizier in Uniform und ein schwarz Gekleideter vor der Tür stehen, wissen die Leute sofort, was passiert ist“, sagt er. [...]

Die Nachricht von seinem Tod zu übermitteln ist eine offizielle Aufgabe, die dem Offizier obliegt. Auf dem Rastplatz stimmen sie sich beide ab. Sie wollen zunächst darum bitten, in die Wohnung kommen zu dürfen, eine Nachricht wie diese überbringt man nicht an der Tür, sondern im Sitzen, Auge in Auge. „Und dann passiert, was passiert“, sagt Kolesch. [...]

In dieser Woche ist „The Messinger“ in Deutschland auf DVD erschienen. Er zeigt, wiein Amerika der Tod eines Soldaten im Krieg abgewickelt wird, formalisiert bis zum Ehrensalut am Grab. Zwei Offiziere einer „Benachrichtigungseinheit“ suchen die Angehörigen auf und spulen einen Spruch ab, die letzte Nachricht, in der sie vom Verteidigungsminister sprechen, der sein Beileid ausrichten lässt. Kein Körperkontakt, kein Mitgefühl, keine Tränen, keine Schwächen, keine Erklärungen, alles streng nach Protokoll. Rein, raus, auf Wiedersehen - und doch immer noch persönlicher als im Vietnamkrieg, als die Armee ein Telegramm schickte. [...]

Am frühen Abend stehen sie vor der Wohnung [...]. Sie klingeln, hören Geräusche. Erleichterung, es ist jemand zu Hause, sie müssen nicht nach den Angehörigen suchen, so, wie es schon geschehen ist. Eine ältere Frau öffnet, [...] ruft ihre Tochter an die Tür, die beiden Männer fragen, ob sie hereinkommen dürfen. Sie setzen sich an einen Tisch im Wohnzimmer, der Offizier wendet sich der jungen Frau zu und sagt: „Ich Mann ist bei einem Gefecht nahe Kundus gefallen. Er ist tot.“

Gefallen. Tot. Zwei Wörter, schnörkellos, unmissverständlich und brutal. Es sind schlimme Momente für alle, Kolesch und der Offizier wären gern weniger kompromisslos, doch das wäre falsche Rücksichtnahme. Sie müssen klarmachen, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Ein paar Mal fragt die Ehefrau, ob sie wirklich sicher seien, das könne nicht sein, [...] Es gibt keinen Zweifel. Als Kolesch das sagt, sackt die junge Frau still in sich zusammen [...]. Sie haben ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen. Doch damit, sagt der Pfarrer, kann die Trauerarbeit beginnen. sie verlassen die Wohnung, als es schon lange dunkel ist.

[...] Es ist noch immer etwas Außergewöhnliches, wenn ein deutscher Soldat fällt, in der Bundeswehr gibt es keine „Benachrichtigungseinheiten“ mit hartleibigen Überbringern, sondern Kameraden, die zu den Angehörigen fahren und dabei meist selbst von ihren Gefühlen überwältigt werden. Sie tauchen plötzlich im Leben von Leuten auf, von denen sie zuvor kaum etwas wussten, um ihnen zu sagen, wofür es keinen vorschnellen Trost gibt. Es sind Momente, auf die man sich nur bedingt vorbereiten kann. Jürgen Natter spricht noch heute von den „schwersten Momenten“ seines Lebens.[...]

Bischof Kardinal Karl Lehmann / Diesen Gastkommentar lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von "Glaube und Leben"Nr. 11 vom 10. März 2011

Ist der kirchliche Hilfeplan schäbig?

Zum Echo auf das Angebot für die Opfer des sexuellen Missbrauchs

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch" der Bundesregierung zum Thema „Anerkennung des Leids der Opfer sexuellen Missbrauchs" als bisher einzige betroffene Institution zusammen mit der Ordensoberenkonferenz ein Modell vorgestellt, in welcher Weise in Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger auch materielle Leistungen erbracht werden können, besonders wenn eine Schmerzensgeld- oder eine Schadensersatzleistung wegen eingetretener Verjährung rechtlich nicht mehr durchsetzbar ist.

Nach langwierigen Überlegungen wurde am 2. März ein verbindlicher Grundsatztext „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfer sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde" verabschiedet und veröffentlicht.

Ich habe mich zunächst mit dem Gedanken materieller Hilfen, vor allem auch in finanzieller Form, sehr schwer getan. Ein Hauptgrund war für mich, dass niemals der Eindruck entstehen sollte, man könnte die oft ver-heerenden Verfehlungen auch nur entfernt mit einer finanziellen Leistung wieder gut machen. Es könnte der fatale Eindruck entstehen, man wollte sich von dem angerichteten Elend loskaufen, und dies durch Geld.

Ich fand diesen Gedanken unerträglich und habe mich deswegen auch von Anfang an gegen einen Begriff wie „Entschädigung" gewandt. Gewiss gibt es im ethischen Bereich die Notwendigkeit einer „Wiedergutmachung", aber dies gilt überwiegend dann, wenn es um eine materielle Schädigung geht.

Ich hatte noch ein Bedenken. Verfehlungen des sexu-ellen Missbrauchs stehen in einem abgrundtiefen Widerspruch zu dem, was die Kirche an ethischen Normen vorgibt und woran sich Millionen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich und weltweit auch streng halten. Man denke nur an die Kindergärten, die Schulen und die Jugendarbeit.

Auch wenn uns dies nicht alle glauben, so sind wir doch bei jedem ernsthaften Verdacht aufmerksam, gehen auch Gerüchten und Vermutungen nach und wollen nichts „vertuschen", auch wenn es da und dort in ein-zelnen Fällen einen leichtfertigen und nicht zu verant-wortenden Umgang gab und geben sollte. Aber ich habe nicht eingesehen, dass die Institution Kirche eine „Entschädigung" leisten soll, wenn einzelne Vertreter völlig gegen die Einstellung und Forderung der Kirche zum Schaden aller handeln. Die Verantwortung liegt zuerst ganz beim Täter.

Überdies frage ich mich, woher die Kirche für eine solche Entschädigung die finanziellen Beträge nehmen soll - doch nicht von der Kirchensteuer und den frei-willigen Beiträgen einzelner Christen!

Dabei war von Anfang an klar - und dies schon nach den Richtlinien des Jahres 2002 -, dass wir bereit sind, für evtl. entstandene Therapiekosten aufzukommen. In ein-zelnen Fällen kann man durchaus im Rahmen der kirch-lichen Hilfeleistungen an eine materielle Unterstützung denken. Es geht also nicht darum, jede materielle und finanzielle Hilfe abzulehnen. Aber es ist etwas anderes, wenn man für jeden Missbrauch, wie immer er geartet war, gleichsam eine Liste mit verschiedenen finanziellen Leistungen fordert.

Ich habe im Lauf des letzten Jahres meine grundsätzliche Meinung langsam etwas modifiziert. Das Angebot auch materieller Hilfen kann nochmals die eindeutige Distanzierung und die Verurteilung des Unrechts der Täter auf der Ebene des Rechts und der Öffentlichkeit sichtbar machen. Wenn wir dadurch auch bei der Bewältigung belastender Lebensumstände helfen können, hat finanzielle Hilfe zusätzlich einen guten Sinn. Dafür sind jetzt in dem Beschluss der Bischofskonferenz verschiedene Leistungen ausgearbeitet worden (Schaffung eines Präventionsfonds, Übernahme von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatung, materielle Leistung in Anerken-nung des Leides, Regelung für besonders schwere Fälle).

Ich will keinen Zweifel lassen, dass man auch durch diese sehr verschiedenen Leistungen keine Wiedergutmachung vollbringen kann. Insofern ist jede Form dieser finanziellen „Entschädigungen" ambivalent und muss mit größter Sensibilität gehandhabt werden.

An vorderster Stelle stehen die Umkehr des Täters, die erhöhte Wachsamkeit der Verantwortlichen, die Bitte um Vergebung und gewiss auch immaterielle und evtl. auch materielle Hilfe.

[...] Wir hoffen, dass dieser Hilfeplan als ernsthafte und aufrichtige Geste verstanden wird, gerade auch von den Opfern.